Paris unterm Hakenkreuz; Kersten Knipp; wbg Theiss | Paris unterm Hakenkreuz; Kersten Knipp; wbg Theiss

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Wer das Buch gelesen hat, kann die Deutsch-Französische Freundschaft nicht hoch genug schätzen!!

Im ersten Teil beschreibt Kersten Knipp an vielen Beispielen aus dem französischen Alltag der späten 1930er Jahre sehr bildhaft und somit nachvollziehbar die Stimmung in Frankreich. Die dort nach den riesigen Verlusten an Menschenleben während des Ersten Weltkrieges gebrachten Opfer in so gut wie allen Familien Frankreichs. Die leider vergeblichen Versuche, die wahnwitzigen Vorstellungen der Nazis auf diplomatischem Weg einzudämmen.

Die absolute Verkennung des französischen Militärs, sich mittels der Maginot-Linie gegen einen Überfall der Nazis und deren Wehrmacht schützen zu können.

Der Autor beschreibt an Hand von Zitaten aus Briefen, Tagebüchern und stellenweise philosophischer Literatur (z. B. Werken von J.-P. Sartre), anhand von  in deutscher Gründlichkeit geführten Listen der aus Frankreich deportierten Menschen jüdischen Glaubens, der Anzahl der Opfer von Massakern, die die SS und die Wehrmacht in Frankreich verübt haben, die Zustände in Frankreich. In der Zeit vor dem Überfall durch das Dritte Reich. In der Zeit der deutschen Besetzung mit der von Philippe Pétain geführten Marionetten-Regierung in Vichy für etwa die nördliche Hälfte des französischen Staatsgebietes. Bei diesen Themen und Zeiten lässt der Autor auch die willfährige ‚Zuarbeit‘ vieler Franzosen bei der Jagd nach Juden und Zusammenstellung der Deportationszüge in die Vernichtungslager der Nazis im Osten Europas aussen vor. Eine latente Aversion gegen Menschen jüdischen Glaubens war im damaligen Frankreich auch ohne Beeinflussung durch die Nazis vorhanden.

Dass der Widerstand durch die Résistance, deren Mitglieder teils sehr gegensätzliche politische Vorstellungen und Zielsetzungen hatten, dass die Wirkung des vom Exil in London aus agierenden Géneral Charles de Gaulle mit vielen Fakten vom Autoren geschildert wird, steht bei dem Buch ausser Frage.

In einem eigenen Kapitel wird das im Endeffekt dann doch erfolgreiche Bemühen der Nazi-Jäger Serge und Beate Klarsfeld, den ‚Schlächter von Lyon“ SS-Obersturmführer und Chef der Gestapo in Lyon Klaus Barbie geschildert.

In diesem Zusammenhang ein längeres Zitat von Seite 253:

„Seine Verurteilung brauchte Klaus Barbie lange Zeit nicht zu fürchten. Die ersten Jahre nach der Niederlage Nazi-Deutschlands hatte sich der Kriegsverbrecher in der Heimat versteckt, bis er sich 1954 mit Hilfe des US-amerikanischen Geheimdienstes nach Bolivien absetzte. Unter neuem Namen – »Klaus Altmann« – und als Vertrauter der das Land regierenden Diktatoren führte er in der Hauptstadt La Paz ein sorgenfreies Leben.

Ungemütlich wurde es für Barbie im Jahr 1971, als die Nazi-Jäger Serge und Beate Klarsfeld auf ihn aufmerksam wurden. In jenem Jahr hatte die Münchner Staatsanwaltschaft eine nicht publik gemachte Einstellungsverfügung im Fall Barbie beschlossen. Der »Schlächter von Lyon«, wie Barbie genannt wurde, wäre durch diesen Beschluss vollständig rehabilitiert worden, trotz dreier 1947, 1952 und 1954 gegen ihn erlassenen Todesurteile der französischen Justiz.“

Nur durch den Einsatz der Nazi-Jäger war es möglich, Klaus Barbie der französischen Justiz übergeben zu lassen. Er wurde 1987 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1991 in einem Gefängnis in Lyon an Krebs…

Alles in Allem ein unbedingt zu lesendes Buch, um die wahrhaft historische Bedeutung folgender Daten zu verstehen. Deren Wert für das grundsätzlich friedliche Zusammenleben in Europa nicht hoch genug gehalten werden kann:

  1. Juli 1962:
    Konrad Adenauer und Charles de Gaulle besuchen gemeinsam eine Versöhnungsmesse in der Kathedrale von Reims.
  2. September 1962:
    Charles de Gaulle hält in Ludwigsburg eine Rede an die deutsche Jugend in deutscher Sprache.
  1. Januar 1963:
    Konrad Adenauer und Charles de Gaulle umarmen sich anlässlich der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages.
  1. September 1984:
    Helmut Kohl und François Mitterrand Hand in Hand vor dem Beinhaus von Douaumont bei Verdun anlässlich einer großen Zeremonie zur Erinnerung an die Opfer der Kriege zwischen Frankreich und Deutschland.
  1. Juni 2004:
    Gerhard Schröder und Jacques Chirac umarmen sich bei einer Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie, bei der zum ersten Mal ein deutscher Kanzler eingeladen ist.
  1. September 2013:
    Bundespräsident Joachim Gauck und Staatspräsident François Hollande besuchen Oradour, wo am 10. Juni 1944 SS-Soldaten das Massaker von Oradour verübt und 548 von 642 Bewohnern getötet hatten.

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