Pflichtlektüre für die, die politisch rechts bis ganz rechts außen sind…
Für alle anderen auch!
Der Stil, in dem Volker Ulrich das Buch verfasst hat, macht es nicht schwer, die etwas mehr als 250 Seiten zu lesen. Alles, was er beschreibt, ist bestens recherchiert und kann dank der 37 Seiten umfassenden klein gedruckten Seiten mit Anmerkungen, Quellenverzeichnis, der umfangreichen Bibliographie, der Angabe von Fundstellen in Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen überprüft werden. Damit ist es unmöglich und jeglicher Tatsache widersprechend zu behaupten „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“ Wie sich Gauland im Jahr 2018 nicht entblödete zu behaupten.
Die acht Tage im Mai nach der totalen Kapitulation des Deutschen Reiches, die der Historiker aus allen möglichen Blickwinkeln betrachtet und beschreibt, sind ergreifend, erschütternd, informierend, aufklärend im Sinne der Wahrheitsfindung.
Heinrich Himmler hatte in der Tat die Hoffnung, sich auch nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches als zweiter Mann in der ’neuen‘ Regierung etablieren zu können. Zuvor hatte der Reichsführer SS bereits Versuche angeleiert, über den schwedischen Diplomaten und Vizepräsidenten des Schwedischen Roten Kreuzes, Graf Folke Bernadotte Verhandlungen mit Eisenhower eine Kapitulation der deutschen Streitkräfte im Westen führen zu können. Als ‚Faustpfand‘ für diese von Himmler erhofften und von Eisenhower kategorisch abgelehnten Verhandlungen hatte der Reichsführer SS zigtausende von KZ-Häftlingen auf die Todesmärsche schicken lassen.
Hans Frank, der Schlächter von Polen, wurde am „[…]04. Mai 1945 von Leutnant Stein von der 7. US-Armee in Begleitung von zwei US-Soldaten und einem deutschen Polizeiwachtmeister im „Haus Bergfrieden“ in Neuhaus am Schliersee […] in gemütlicher Kaffeerunde“ vorgefunden.“ (Seite 142f.)
„Gauleiter Hanke, der jeden, der zu fliehen versuchte hatte, standrechtlich hatte erschießen lassen, dachte gar nicht daran, nun selbst den »Heldentod« zu sterben. In der Nacht zum 6. Mai ließ er sich mit einem Fieseler Storch ausfliegen – von jener Rollbahn, die er unter entsetzlich hohen Opfern hatte errichten lassen.“ (Seite 188).
Diese Startbahn mitten in der ‚Festung Breslau‘ kostete schätzungsweise 3.000 Menschen durch Bomben und sowjetische Tiefflieger das Leben.
Göring fühlte sich auch nach seiner Festsetzung noch als rechtmässiger Nachfolger des ‚Führers‘ und gab sich auch als Kriegsverbrecher so. Speer begann gleich nach der Kapitulation an seiner Legende des Unschuldslammes, das von nichts wusste, zu stricken. Sehr erfolgreich zu stricken, sein Buch ‚Erinnerungen‘ stand auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller-Liste in den Jahren 1969 und 1970.
In dem Buch geht es aber nicht nur um die Nazi-Verbrecher. Ebenso um die ’normalen‘ Bürger, die die Bombennächte in Bunkern und Kellern überlebten. Es geht um Ausschnitte des Werdeganges von Willy Brandt, von Kurt Schumacher, Astrid Lindgren, Konrad Adenauer, Hannah Ahrendt, Walter Ulbricht, Erich Honecker, von Wernher von Braun, Familie Quandt und vielen weiteren Personen.
Diverse Schwarz-/Weiß-Aufnahmen dokumentieren einige Vorgänge und Situationen.
Die letzten drei Sätze im Epilog dieses Buches von Volker Ullrich müssen hier zitiert werden. Zu finden auf Seite 253. In Anbetracht des ‚blinden Flecks‘ einiger politischer Institutionen, Demo-Mitläufern, NSU- und weiterer Attentate ist das unabdingbar:
„[…] es sollte noch dauern, bis die Demokratie […] in der Bevölkerung der Westzone Wurzeln schlug. Man muss sich das Ausmaß der Verheerungen, der materiellen wie moralischen, vor Augen halten, um zu begreifen, wie unwahrscheinlich dies am 8. Mai 1945 erscheinen musste und welche Errungenschaft es bedeutet, heute in einem stabilen, freiheitlichen und friedlichen Land leben zu können. Vielleicht ist es an der Zeit, daran zu erinnern.„
Es ist an der Zeit!!