Ach, Afrika: Berichte aus dem Inneren eines Kontinents; Batholomäus Grill; Pantheon Verlag | Ach, Afrika: Berichte aus dem Inneren eines Kontinents; Batholomäus Grill; Pantheon Verlag

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Endlich die Gelegenheit, ansatzweise ein realistische Vorstellung von Afrika zu bekommen!

Das Buch von Bartholomäus Grill wurde erstmals zwar schon 2003 veröffentlicht. Aber es hat in den Jahren, die seitdem vergangen sind, nichts an Faszination verloren. Zumal sich die Verhältnisse auf dem Kontinent grossteils nach unserem west-europäischen Verständnis kaum verbessert haben.

Um die Behauptung, das Buch ermöglicht ansatzweise eine ‚realistische Vorstellung von Afrika‘ zu untermauern, erst ein paar Zahlen: die Nord-Süd-Ausdehnung von Afrika beträgt rund 8.000 Kilometer. Zum Vergleich: diese Distanz lässt sich in Europa vom nördlichsten Zipfel Norwegens bis zum südlichsten Ende in Spanien nimmt gerade mal 3.800 Kilometern in Anspruch. Von West nach Ost ist man in Afrika 7.440 km unterwegs, in Europa schafft man es gedanklich über 6.000 km vom westlichsten Zipfel Portugals bis an’s Ural-Gebirge in Russland.

Afrika umfasst 55 Staaten, Europa 47. Wobei in Afrika die Staatsgrenzen von den ehemaligen Kolonialmächten per Lineal gezogen wurden. Ohne Rücksicht auf Stämme, Ethnien, Sprachen, Kulturen, Sitten oder sonst einen Aspekt, der eine soziale Gemeinschaft zusammen hält. Apropos Stämme: in Europa muss man sehr weit in die Geschichte zurück gehen, um die ehemals 54 Stämme zusammen zu suchen. In Afrika werden 3.000 Stämme gezählt! Was Sprachen anbelangt: in Europa werden offiziell 24 Sprachen gezählt. Ohne Dialekte zu berücksichtigen. Afrika bietet ohne regionale Ausprägungen 1.980 (!!) verschiedene Sprachen.

Als letzte Zahl: ganz Europa belegt etwa 10,5% der Festlandsmasse der Welt, Afrika etwa 3mal so viel: 30,3%.

Was aber erfährt man von diesem Riesenkontinent in den Nachrichten, in Dokumentationssendungen etc.?
Bürgerkriege, Kriege zwischen einzelnen Staaten, Situation und Fehlschläge der Entwicklungshilfe, Hungerkatastrophen, Krankheitsepidemien, Völkermorde, despotische Herrscher, Aktionen des IS, Flüchtlingsströme und Flüchtlingslager so gros wie eine Stadt, für uns West-Europäer unvorstellbare Kriminalitätsraten. Und so weiter und so fort.

Insgesamt also nur Negatives. Eine Vorstellung oder gar eine nachvollziehbare Erklärung, wo die Gründe für diese Ereignisse liegen könnten, die bekommt man allerdings kaum. Bis gar nicht. Logischerweise fehlt dann auch meist der Erklärungsversuch, weswegen sich Hundertausende Afrikaner auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa, in deren Augen ein goldenes Schlaraffenland, machen.
Dass die Eroberung und Unterwerfung der Welt durch die europäischen Kolonialmächte, allen Voran Gross-Britannien, mit eine Hauptursache für die heutigen Fluchtbestrebungen der Afrikaner sind, wird sowieso geflissentlich übergangen. Bei der Unterwerfung Afrikas darf Frankreich, Portugal, Italien, das Deutsche Reich nicht vergessen werden.

Genau hier setzt dieses hervorragend geschriebene Buch von B. Grill an. Dem mit vielen Preisen ausgezeichneten Journalisten gelingt es ausgezeichnet, das Verständnis für Afrika zu wecken. Im positiven Sinne durch seinen sehr schönen Schreibstil, mit dem er die Natur und die Naturwunder Afrikas bildhaft in Worte fasst.

Was die negativen Zustände betrifft (Völkermorde, Diktatoren, Kleptokraten, überbordende Bürokratie, Korruption, rücksichtslose Ausbeutung der Bodenschätze durch westliche Konzerne, Elendsviertel, Kindersoldaten als Beispiele) gelingt ihm das ebenso bildhaft…

Die Zeiten, die unvorstellbar grausamen Ereignisse, die die Kolonialherrscher nach Afrika brachten, all das beleuchtet Bartholomäus Grill ebenso. Wie deren Spätfolgen bis zum heutigen Tag. Entkolonialisierung hin oder her.

Dabei lässt der Autor weder die Auswirkungen der westlichen (Müll-) Exporte noch den in aller Stille durchgeführten ‚Einkauf‘ der Volksrepublik China ausser Acht.

Wer demnach mit den ein- bis höchstens zweiminütigen Tagesschau- oder heute-Meldungen, mit den etwas längeren Beiträgen im Weltspiegel oder anderen TV-Sendungen nicht mehr zufrieden ist, wer den gedanklich verhängten Schleier über Afrika etwas hochheben will, sollte dieses Buch lesen. Auch wenn die erste Auflage bereits 2003 erschien.

Es lohnt sich unbedingt!

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