Der Fluch der bösen Tat – Das Scheitern des Westens im Orient, Peter Scholl-Latour

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Spannender als ein Krimi, aber leider Realität

 

Peter Scholl-Latour legt hier wie bei und von ihm üblich die Fakten, die Hintergründe der Fakten, die Manipulationen durch die Medien – ja, auch die westlichen Medien manipulieren nach allen Regeln der Kunst! – auf den Tisch.
Sein umfassendes Wissen der geschichtlichen Entwicklungen im Nahen und auch Fernen Osten, im nördlichen Teil Afrikas, seine politischen Kenntnisse, an den verschiedenen (Kriegs-) Schauplätzen vor Ort gewonnen Erfahrungen lassen keinen Zweifel zu: der Mann kannte sich wirklich aus, bedachte alle möglichen Gründe und Nuancen der oft fehlerhaften Entscheidungen. Insbesondere auch der grottenfalschen Entscheidungen der amerikanischen, englischen, französischen, deutschen Politiker und Entscheidungsträger. Seien es die aktuellen, seien es die aus der Kolonialzeit oder noch früher.

Hinzu kommt, dass Scholl-Latour kein Blatt vor den Mund nimmt und vor niemandem kuscht. Besser gesagt kuschte, denn leider wird es keine weiteren messerscharfen Analysen von ihm mehr geben.
Ein Beispiel: „Es mag durchaus sein, daß der syrische Staatschef sich schuldig gemacht und gegen die elementaren Menschenrechte verstoßen hat. Aber die Perspektive, den Rest seines Lebens in einer holländischen Gefängniszelle zu verbringen, oder die wahrscheinlichere Annahme, daß er im Falle eines Sturzes der Lynchjustiz seiner entfesselten Gegner ausgeliefert und wie der Libyer Qadhafi zu Tode gefoltert würde, dürfte Assad nicht zur Nachgiebigkeit stimmen.“ (S. 291). Direkt an diese Passage schließt sich eine zu mehr als Nachdenken geeignete Betrachtung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag an…

Syrien, Ägypten, Libyen, Iran, Irak, Türkei, Sunniten, Schiiten, Kurden, Alawiten, Juden, Christen, Perser, Schah Mohammed Reza Pahlewi, USA, Frankreich, England, Sarkozy, Erdogan, Putin, Nasser, el-Sisi, Obama, Nixon, Bush, Schröder, Khomeini, Powell usw. usw. Alles und jeder maßgeblich Beteiligte wird nicht nur kurz beleuchtet, sondern hinterfragt und die jeweilige Motivation analysiert.

Ein kleiner Wermutstropfen zieht sich durch alle 340 Seiten: vergleichbar mit dem derzeitigen Chaos der Welt wimmelt es nur so von sicher wichtigen Personen und deren für West-Europäer sehr ungewöhnlichen Namen. Wobei viele dieser Menschen schon seit mehreren hundert Jahren tot sind. Die dessen ungeachtet auch heute noch massiv Einfluss auf die Denkweise und daraus resultierenden Vorgehensweisen haben. Aber man muss diese vielen Namen weder unbedingt kennen und sie sich ebenso wenig unbedingt einprägen. Alleine das grundlegende Wissen um diese Personen und ihre Wirkung hilft, das politische und militärische Chaos einordnen zu können. Die in den inneren Umschlagseiten abgedruckten Übersichtskarten hinsichtlich der religiös-ethnischen Gliederung in Syrien und dem Irak machen es sehr viel einfacher, den Feststellungen von Peter Scholl-Latour zu folgen. Ohne Manipulation durch die Medien.

Fazit: für Jeden, der nicht auf „Meinungsmache“ herein fallen, sondern sich ein unabhängiges Verständnis für die Ursachen des herrschenden Chaos verschaffen will, quasi Pflichtlektüre.

 

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