M. Der Sohn des Jahrhunderts; Antonio Scurati; Klett-Cotta

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Ein gewaltiges Buch – über eine Zeit voller Gewalt! Und M., den Mann, der das auszunutzen wusste.

Das Attribut „gewaltig“ bezieht sich nicht nur auf den Seitenumfang. Deren 816 es zu lesen gilt. Dazu noch weitere 14 Seiten mit der Nennung und den entsprechenden Mini-Biographie der Hauptfiguren des Romans.

Oder sollte es besser heissen „ein gewaltiger Roman über die Entwicklung des Faschismus in Italien in der Zeit zwischen März 1919 bis Januar 1925.“?

Oder sollte es noch besser heissen „Aktuelle Warnung vor der (un-) heimlichen Entwicklung des Faschismus in vielen Staaten Europas und der Welt.“?

Antonio Scurati gelingt es, die Gründe für den Aufstieg des Faschismus von einer kleinen, nur wenige Mann umfassenden Organisation zu der gewaltigen Staatsdoktrin, die nicht nur das damalige Italien in den Griff nahm, realistisch wiederzugeben.

Angefangen bei den Rückkehrern der italienischen Armee aus den Schlachten des Ersten Weltkrieges, die hauptsächlich zwischen den Armeen Österreich-Ungarns und Italiens in den Dolomiten ausgetragen, von den Soldaten auf beiden Seiten erlitten wurden.

Weiters zu den blutigen Unruhen, die das damalige Königreich Italien  zwischen den Sozialisten und Kommunisten auf der einen Seite, dem Grossbürgertum und den Industriellen auf der anderen erschütterten. Ebenso eindrucksvoll schildert der Autor die Lebensumstände der verarmten Landbevölkerung im Italien jener Zeit.

Das vorherrschende Gefühl der Italiener, durch die Bestimmungen der Siegermächte, festgelegt im Vertrag von Saint-Germain, betrogen worden zu sein.  Schliesslich hatten die Westmächte grosse Teile des heutigen Kroatiens inklusive Istriens, Dalmatiens und auch Albaniens Italien versprochen, um das prinzipiell kriegsunwillige Königreich doch noch zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu bewegen. Diese Versprechungen hatten sich durch den Vertrag von Saint-Germain kommentarlos in Luft aufgelöst.

Auf der Grundlage all dieser katastrophalen Umstände in Italien konnte sich dort der Faschismus unter der Regie Mussolinis, eben dem Sohn des Jahrhunderts, Stück für Stück, Schritt für Schritt, Stadt für Stadt weiter entwickeln. Weiter festigen.

Was an dem Buch nicht minder fasziniert, ist die historische Akkuratesse.

Ein Grossteil, wenn nicht alle der agierenden Personen existierten. So und mit dem Lebenshintergrund wie geschildert. Ob restlos alle Personen so existierten, kann ich insofern nicht beurteilen, weil ich mir aus Neugierde während des Lesens der ersten etwa 250 Seiten die Mühe machte, die Fakten zu den bis dahin erschienen Personen zu recherchieren. Ergebnis: so wie Sie Antonio Scurati schildert, zitiert, deren Handlungen, Äusserungen, Briefe, Telegramme wiedergibt, existierten diese Menschen in der Tat. Nach diesen ersten etwa 250 Seiten habe ich Antonio Scurati soweit vertraut, dass er sicher keinen Humbug schreibt.

Weswegen ist es wichtig, dieses Buch zu lesen?

Zum einen natürlich, um ein gewisses Maß an Nachvollziehbarkeit zu entwickeln, was zum Faschismus führte. Wie dieser überhaupt möglich war.

Zum anderen lässt sich nur eine Aussage von der Rückseite des Buchdeckels zitieren:

„Ein Roman wie ein Spiegel europäischer Geschichte –

UND EIN MAHNMAL GEGEN DIE RÜCKKEHR DES FASCHISMUS IN EUROPA.“

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