Im Widerstand: Größe und Scheitern der Opposition gegen Hitler; Wolfgang Benz; C. H. Beck Verlag | Im Widerstand: Größe und Scheitern der Opposition gegen Hitler; Wolfgang Benz; C. H. Beck Verlag

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„Die späte Lehre aus der Geschichte lautet, dass Widerstand beizeiten notwendig ist.

Das ist ein Gebot demokratischer Überzeugung, die Demokratie bewahren will.“

Zitat von Seite 17.

Und diese Gedanken sind heute leider noch weitaus wichtiger als in den zurückliegenden 40, 50 oder 60 Jahren. Man denke an die aktuelle politische Lage in der Türkei, in Ungarn, an Brasilien, an die USA, an den amtierenden italienischen Innenminister, an die Ibiza-Affäre der österreichischen FPÖ, an die Waffenlobby der USA, an Saudi-Arabiens Herrscher, an die politischen Entwicklungen in Polen… Fast in jeder Region der Welt ist für freiheitlich, multi-national und multi-kulturell denkende und diesen Prinzipien aus Überzeugung folgenden Menschen Widerstand das Gebot der Stunde.

Wolfgang Benz analysiert am historischen Beispiel des „Dritten Reiches“ den seinerzeit vorhandenen Widerstand. Er beschreibt akribisch genau nicht nur die Vorgänge um und mit der Weißen Rose, also den Geschwistern Scholl an der Ludwig-Maximilian-Universität zu München, das von Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 in Hitlers Lagebaracke ‚Wolfsschanze‘  durchgeführte Attentat, mit dem er vergeblich versuchte, die führenden Köpfe des Nazi-Regimes unschädlich zu machen. Diese und einige weitere Widerstandsaktionen sind mittlerweile bekannt. Ebenso wie  die „Rote Kapelle“, die ab Mai/Juni 1942 versuchte, eine Kommunikation mit der Sowjetunion zu etablieren.

Wolfgang Benz schreibt hierüber „Die Anklage in den Prozessen vor dem Reichskriegsgericht in  Berlin gegen 79 Mitglieder des Widerstandskreises Rote Kapelle vertrat Manfred Roeder, ein Mann, den man zu den furchtbaren Juristen rechnen muss, die aus rechter Gesinnung, Ehrgeiz, Opportunismus , Karrierestreben den NS-Staat in Funktion hielten – Juristen, die nie ein Unrechtsbewusstsein entwickelten wie der Marinerichter Filbinger, der noch im Frühjahr 1945 Todesurteile fällte, es aber dann zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg brachte und nach seinem Sturz fassungslos erklärte, was damals Recht gewesen sei, könne heute nicht unrecht sein.“ (S. 232)

Ebenso akribisch geht der Autor auch auf den Widerstand der jüdischen Bevölkerung, der Arbeiterschaft, in den beiden christlichen Kirchen, bei den gesellschaftlichen Eliten, den Soldaten, den ‚Weg-Ducker‘, den vielen Menschen, die sich in eine innere Emigration flüchteten und so weiter ein.

Gerade das Verhältnis zwischen der römisch-katholischer Kirche und dem Nazi-Staat wird vom Autoren nachprüfbar erläutert. Der Anhang mit Anmerkungen, Literaturverweisen, Bildnachweis sowie Personenregister umfasst immerhin 69 Seiten. Hierzu sollte man einfach mal die Seiten 207 bis 213 lesen. Kapitelüberschrift „Katholische Martyrologie und christliche Barmherzigkeit“. Wobei sich die ‚christliche Barmherzigkeit‘ vornehmlich im Eröffnen und Ebnen der Fluchtwege von Nazi-Größen und Nazi-Schergen zeigte…

Bedingt durch die Akribie von Wolfgang Benz ist das Buch stellenweise recht langatmig zu lesen. Andererseits hat diese Akribie den Vorteil, die Motivation der Beteiligten auf beiden Seiten, den Nazi-Anhängern aus den bürgerlichen Schichten bis hin in die oberen Etagen der Nazi-Grössen und deren Gegnern nachvollziehen, verstehen zu können.

Angesichts der zunehmenden Agitation, der zunehmenden Gewaltbereitschaft und der geplanten oder sogar vollendeten Gewalttaten von den politisch rechts orientierten AfDler und deren Anhängerschaft lässt sich nur wiederholen:

„Die späte Lehre aus der Geschichte lautet, dass Widerstand beizeiten notwendig ist. Das ist ein Gebot demokratischer Überzeugung, die Demokratie bewahren will.“

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