Die Tyrannei des Wachstums: Wie globale Ungleichheit die Welt spaltet und was dagegen zu tun ist; Jason Hickel; dtv

Ein Mensch, 65 Jahre alt und 6,96 Meter groß??

Dieser Vergleich hinkt nicht!!

Es ist lediglich das erhoffte jährliche Wachstum des BIP (Bruttoinlandsprodukt).
Zitat von der Internetseite des statistischen Bundesamtes: „Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum.“

Wobei die Industrie von einem jährlichen Wachstum um 4% träumt. Was umgesetzt auf das Wachstum eines Menschen zwischen Geburt und dem 65ten Lebensjahr bedeuten würde, dass er ausgehend von durchschnittlich 52 cm Körpergrösse die stattliche Länge von 88,59 Metern (!) erreichen würde. Unvorstellbarer Wahnsinn.

Ein ebensolcher Wahnsinn, belegt und nachprüfbar, wird durch dieses Buch nachgewiesen.

Der Wohlstand, besser gesagt der übergrosse Konsum der Bevölkerung auf dem nördlichen Teil der Erde beruht auf der rücksichtslosen Ausbeutung der Bodenschätze und der Menschen auf dem südlichen Teil. Kolonien der Europäer in Afrika, in Südamerika, in Asien, gigantischer Menschenhandel in Form der Sklaverei. Wirtschaftsförderung und Industrieentwicklung in Europa und Nordamerika durch Zollschranken. Zur ‚Not‘ hilft auch mal ein Krieg wie die beiden Opiumkriege der Briten gegen das selbstgenügsame Kaiserreich China (1839 bis 1842 sowie 1856 bis 1860). Von europäischen Grossmächten geführt, um der East India Company die chinesischen Absatzmärkte für das in der britischen Kolonie Indien/Bengalen produzierte Opium zu sichern.
Hier und da mal ein Putsch, eine inszenierte Militärrevolte. Beispielsweise gegen 1953 gegen Mohammad Mossadegh im Iran durch die Operation Ajax, inszeniert vom CIA und den Briten. 1973 gegen Salvador Allende in Chile, inszeniert vom CIA. In Mittelamerika hatten die USA wer weiss wie oft die Finger im Spiel, um den Profit beispielsweise der United Fruit Company zu sichern.
Das Deutsche Reich mit Ihrem gewaltsam realisierten Wunsch nach einem „Platz an der Sonne“ inklusive Völkermord an den Herero und Nama. Frankreich in Nordafrika, Belgien im Kongo, Frankreich und Grossbritannien Hand in Hand bei der Zerschlagung und willkürlichen, rücksichtslosen Aufteilung des zerfallenen Osmanischen Reiches im sogenannten Nahen Osten (Syrien, Libanon , Jordanien, Israel, Iran, Irak). Die drei völkerrechtswidrigen Kriege der USA und aller Willfähriger im Irak.

Die Aufzählung liesse sich beliebig weiterführen. Und wozu das Ganze? Um die Ausbeutung der südlichen Hälfte der Weltkugel, durch die die Profitmaximierung in der nördlichen Hälfte erst möglich wurde, fortsetzen zu können. Abgrasen der südlichen Hälfte nach möglichst billigen Arbeitskräften. Und das Alles dann mit vermeintlichen Wohltaten der als ‚Entwicklungshilfe‘ getarnten Almosen im öffentlichen Bewusstsein verdecken. Wobei es sich verglichen mit den aus den ‚Entwicklungsländern‘ gezogenen Profiten wirklich nur Almosen sind.

Unter dem Deckmäntelchen des arbeitsplatzsichernden, notwendigen wirtschaftlichen ‚Wachstums‘ ist offensichtlich jedes Staatsverbrechen zulässig. Obgleich es allen vernünftig denkenden Menschen klar sein muss, dass Wachstum irgendwann ein Ende hat, haben muss. Kein philosophisches Problem, sondern Tatsache.

Jason Hickel geht in seinem vielbeachteten Buch nicht nur den Ursachen der völlig ungerechten Verteilung von Wohlstand im Norden, grenzenloser Armut im Süden auf den Grund. Er schildert ebenso unverblümt die Auswirkungen von Freihandelszonen, den im Hintergrund lauernden Risiken von Verträgen wie TTIP, NAFTA oder GATT, die tatsächliche Rolle von Organisationen wie WTO, IWF oder World Bank und so weiter. Auch diese Aufzählung liesse sich fortsetzen und fortsetzen und weiter fortsetzen.

Der einzige relative Nachteil der 430 Seiten (davon 30 Seiten Quellenangaben) sind die vielen den Lesefluss störenden Abkürzungen der diversen Organisationen und Verträge. Aber um J. Hickels Argumentation nachvollziehen zu können, geht es nicht ohne diese.

Schlussendlich verdeutlicht der Autor auch sehr eindrücklich, was mit der Erde geschehen wird, wenn der Tyrannei des Wachstums nicht aus zwingend notwendigen Gründen entsagt wird. Er belegt, was wegen dieser Tyrannei heute schon unwiderruflich verloren ist, was in absehbarer Zeit verloren gehen wird.

Ebenso nachvollziehbar zeigt Jason Hickel auch auf, welche Wege aus den sich abzeichnenden Katastrophen (Flucht aus der Armut, Klimaveränderung, Erderwärmung, Umweltverschmutzung und Umweltraubbau, Schuldenkrise, Manipulation durch Werbung etc.) offen stehen. Die möglich sind und sein müssen.

Auf Seite 364 Zitiert Jason Hickel den Naturforscher Sir David Attenborough: „Wer an unbegrenztes Wachstum physischer Dinge auf einem physisch begrenzten Planeten glaubt, ist entweder verrückt oder Ökonom.“

Dem lässt sich nicht widersprechen.

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